Theatermagazin Theaterblick - Die ganze Welt ist Bühne. Theater Spot
Theaterfoto des Augenblicks - Darauf klicken, um es zu vergrößern.

Mein Theaterblick
Sie sind nicht angemeldet.

 

Der talentierte Mr. Ripley von Patricia Highsmith

Ein Gastspiel der Bühne Bern

Tom Ripley ist ein Nobody. Er kommt aus dem Nirgendwo, hat weder Eltern noch Freunde, kaum Bildung und erst recht kein Geld. Dafür ist er mit einigen fantastischen Begabungen gesegnet: Er kann Menschen imitieren, hat mathematisches Talent und fälscht perfekt Unterschriften. Trotzdem hält er sich mit Gelegenheitsjobs am Rande der Legalität über Wasser, bis ihm der reiche Mr. Greenleaf einen besonderen Auftrag erteilt: Tom soll seinen Sohn Dickie aus Italien zurückholen, wo dieser das «Dolcefarniente» unter der Sonne des Südens geniesst. Doch im Dörfchen Mongibello wird schnell klar, dass Dickie keinerlei Veranlassung sieht, zurück in die US-Staaten zu fahren und in die Schiffswerft seines Vaters einzusteigen. Er lebt mit Marge, einer Schriftstellerin, ein herrlich freies Leben, versucht sich als Maler, segelt und unternimmt hin und wieder kleinere und grössere Reisen durch Italien und Europa.
Natürlich, wer würde nicht so leben wollen. Tom schafft es, sich in Dickies Nähe einzurichten und Marge auszubooten. Doch sein uneingestandenes Begehren, seine Sehnsucht nach Luxus und sein Neid auf ein anderes, unbeschwertes Leben brechen sich Bahn. Statt Dickie nach Hause zu holen, begeht Tom einen Mord und schlüpft dank seiner Talente in Dickies Rolle.
Die grosse Krimiautorin Patricia Highsmith brachte keiner ihrer Figuren mehr Sympathien entgegen als dem Mörder Tom Ripley. Über insgesamt fünf Bücher lässt sie ihn entkommen – mit immer neuen Haken und diversen Schauspieltricks. Doch unter der Krimi-Handlung liegen die Fragen: Wer bin ich? Wer will ich sein? Und wieso sind Geld, Einfluss und Talent so verschieden verteilt?
In der Figur von Tom überkreuzt Patricia Highsmith zwei existentielle Fragen von Identität: Klassismus und Homosexualität. Der talentierte Mr. Ripley entstand 1955, als Homosexualität in vielen westlichen Ländern noch strafbar war. Auch gesellschaftlich ist Tom ein Aussenseiter, Anerkennung fehlt, die finanziellen Verhältnisse sind beengt. Dies aber ist genau ein Privileg der Gutsituierten: überall dazuzugehören, mit Leichtigkeit Unterhaltungen zu führen, sich ohne nachzudenken Güter jenseits des täglichen Bedarfs kaufen zu können. Bei jenen wie Tom Ripley dagegen sieht man immer die Anstrengung, die es gekostet hat, da hinzukommen, wo man ist, sich das leisten zu können, was man hat. Erst wenn Tom für eine kurze Weile in zwei Rollen gleichzeitig schlüpfen kann und entweder den schüchternen Thomas Ripley oder aber den weltgewandten Richard Greenleaf spielen kann, ist er souverän. Er kopiert Dickies Mimik und Gestik und perfektioniert seine Maskerade in dem Gefühl, «als agiere er vor Publikum, das aus der ganzen Welt bestand.» Die Aufspaltung der eigenen Person in zwei verschiedene Figuren wirkt für Tom selber wie ein Spiel – er sieht sich selbst als Schauspieler, der «eine wichtige Rolle in der Überzeugung spielt, dass niemand diese Rolle besser spielen könne als er.» Zwar erfährt seine Identifikation stetig Risse durch die neuen Erkenntnisse der Ermittlungen. Aber Tom kommt durch. Er reist mit einem geerbten Vermögen und in Freiheit nach Griechenland – nach einem Vorbild aus dem bildungsbürgerlichen Kanon: wie Jason oder Odysseus, und im «heroischen Stil». In dieser Kopie wird er in seinen Augen erst zur Person, und unter seiner Pose liegt die Überzeugung, dass er jetzt ein «lebendes, atmendes, kühnes Individuum» ist, und nicht länger ein «jämmerlicher Wurm». Tom spielt mit höchstem Einsatz, und er meint, nichts weniger als eine Existenzberechtigung zu gewinnen: «Ich liebe Besitz. So etwas verleiht einem Menschen Selbstachtung. Besitz erinnert mich daran, dass ich existiere.»

Ab:
07.06.2022 um 19:30

Aufführungsort:
Kulturfabrikbiglen, Biglen, Schweiz

Veranstaltungsart:
Theater

Schauspiel Bern "der talentierte Mr. Ripley" (Bild: Yoshiko Kusano)

Kommentare

Sie können einen Kommentar abgeben, wenn Sie sich einloggen. Wenn Sie noch keinen Benutzer-Account haben, können Sie hier einen anlegen.

nach oben


© Verlag Franz
Du befindest Dich hier: Der talentierte Mr. Ripley von Patricia Highsmith (12126).