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Laufsteg der Leidenschaften

Steffen Hölds Adaptierung des Romeo und Julia Stoffes in Graz verspricht spannungsgeladenes Theater, unterstützt vom Industrial-Beat-Sound des Komponisten Jean-Baptiste Marchand. Romeo und Julia in der Neuzeit. Panik, Stress und Terror, bleibt da noch Zeit für die Liebe? Claudia Furthner interviewte den Regisseur Steffen Höld.

Lieber Steffen, du hast den Romeo und Julia Stoff ja selbst bearbeitet. Wie bist du dabei vorgegangen und welche primären Intentionen standen dahinter?

Ich habe sehr viele unterschiedliche Übersetzungen gelesen, aber es war keine für mich dabei, die sowohl die Essenz des Stücks als auch den Rhythmus des Originals transportiert hätten. Das Problem bei den Shakespeare-Übersetzungen ist, dass sie alle von der romantischen Haltung der Schlegel-Tieck – Übersetzung geprägt sind. Shakespeare war aber alles andere als ein Romantiker. Eigentlich (lacht) ist Shakespeare Brecht näher als z.B. Novalis.

Was ist „neu“ an deiner Fassung, bzw. worauf hast du besonderen Wert gelegt?

Meine Version bürgt für mehr Direktheit in den Dialogen, in denen auch der „Sound“ des englischen Originals gewährt bleiben soll. Zudem war es mir wichtig, auch die komplexen Handlungsstränge des Stücks aufzuzeigen, d.h. dass sich das Stück nicht nur auf die Geschichte von Romeo und Julia beschränkt, sondern auch das Umfeld mit einbezieht, was bei einem Ensemble von 9 Schauspielern nicht immer ganz einfach, aber möglich ist. Auch ist es mir wichtig zu zeigen, dass Romeo und Julia keine „Schicksalstragödie“ ist, sondern dass der Untergang ein selbst bestimmter (und natürlich durch die besonderen Umstände geförderter) ist.

Wie siehst du das Umfeld von Romeo und Julia? In welcher Umgebung leben sie?

Sie bewegen sich in einem dumpfen, gewalttätigen, in einem gierigen Umfeld, das von übertriebenem Konsum geprägt ist; ein Boden, der von Shakespeare so beschrieben wurde, und der dem unseren sehr verwandt ist. Genauso haltlos, wie die Personen rund um Romeo und Julia agieren, genauso haltlos und besessen zeichnet sich die Liebe der beiden, wobei diese Liebe ein Spiegel dieses Umfelds ist; in umgekehrter Ausprägung, dennoch um nichts weniger obsessiv.

In welcher weise ergänzen Kostüm und Bühne dein Konzept?

Sowohl bei Bühne als auch Kostüm findet sich ein Anklang an bestehende Modeerscheinungen, wobei die Kostüme bewusst extremer gehalten sind, um die grundsätzliche Eitelkeit der Figuren, die sich auf einem Laufsteg präsentieren, aufzuzeigen. Das wirklich herausragende Bühnenbild verlangt zudem ein sehr sehr hohes Maß an Bewusstsein und Präzision, sowohl was den Körper als auch den Rhythmus als auch die Sprache angeht.

Inwieweit spiegelt dein Stück also die Gesellschaft unserer Zeit bzw. die Liebesfähigkeit dieser?

Wir leben in einer extremen Zeit, in der alles immer nur besser, schneller, größer und mehr sein muss. Gesunder Egoismus ist gut, aber wenn man diesen zu ernst nimmt, dann wird kranker Narzissmus draus, der in keinster Weise mehr zu irgendeiner Befriedigung führt, führen kann. Romeo und Julia nehmen nur noch sich selbst war; ihre Welt ist aus der Balance geraten. Das Leben ist nur noch Leben, wenn in möglichst kurzer Zeit möglichst viel passiert. Keiner kann einen Gang runterschalten; nur im Übermaß und in der Übertreibung fühlt man sich lebendig – ein Symptom unserer Zeit.

Wie gestaltet sich für dich die Arbeit mit den Schauspielern?

Es ist eine Herausforderung, die immer wieder belohnt wird. Den Schauspielern wird sehr viel abverlangt; besonders herausfordernd gestalten sich die vielen Brüche im Stück: z.B. verfallen Figuren von einem extremen Gemütszustand in den diametral entgegengesetzten, wie z.B. von unverbindlicher Freundlichkeit in die absolute Aggression, oder von freudiger Erwartung in die totale Verzweiflung.

Welche Stellung nimmt dabei Johnnys Musik ein?

Eine sehr große, da rund 80% des Stücks musikalisch begleitet werden und durchkomponiert sind. Da Johnny parallel zu meiner Bearbeitung gearbeitet hat, ergänzen sich Musik und Text und verdichten sich in einer art „Rockoper“, wenn man das so sagen will.

Siehst du irgendeine Möglichkeit, ohne jetzt allerdings den Ausgang zu verraten, das Stück anders enden zu lassen, als wir es gewohnt sind?

Nun ja, im Reich der Interpretationen gibt es viele Länder…Tatsache ist allerdings, dass die beiden sich umbringen. Die Unterscheide zeigen sich vielleicht in der Bedeutung, die man dem Tod der beiden zumisst. Romeo und Julia sterben ja „sehr knapp aneinander vorbei“; man neigt dazu, ihnen zu wünschen, dass sie sich „woanders“ oder „drüben“ wiedertreffen und sie im Tod einen Zustand der Ruhe erreichen, den man im Grunde allen Figuren aufgrund ihrer extremen Übertriebenheit und Zerrissenheit während des gesamten Stückes wünschen würde.

Warum ist das Stück deiner Meinung nach wichtig für Heranwachsende?

Als erstes wird es, denke ich, ein sehr spannender Theaterabend werden. Zum zweiten bietet diese Fassung die Möglichkeit, sich Shakespare zu Gemüte zu ziehen, ohne vom romantisch-verklärten „Klimmbimm“ der Schlegel-Tiek-Übersetzung beeinflusst zu werden; weiters verzichten wir auf den moralischen Zeigefinger; wir erzählen einfach nur eine spannende Geschichte, wie sie stattgefunden hat und wie sie jederzeit wieder stattfinden könnte.

Ein Schlusssatz?

Willkommen im Karussell der Eitelkeiten. Oder Laufsteg der Leidenschaften. Wie man eben will.

Steffen Höld

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