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"Kasimir und Karoline" auf dem Oktoberfest

Die Premiere des Volksstückes von Ödön von Horváth im theater der keller in Köln brachte wieder ein sehenswertes Highlight in die Kölner Theaterszene. Monika Hess-Zanger hat gekonnt das schwierige Stück von Horváth in einer ansprechenden Fassung inszeniert.

Ausstattung, Licht und Ton vermittelten den Eindruck, tatsächlich auf dem Oktoberfest zu sein. Die Besetzung der Darsteller entsprach treffend den Charakteren des Stückes, wenn auch die Besetzungen der Maria, Elli und der Ärztin in der Darstellung zu kurz kamen und sich alles auf die beiden Liebespaare Kasimir und Karoline sowie Franz und Erna konzentrierte

Ödön von Horvath`s 1932 uraufgeführte Stück "Kasimir und Karoline" erzählt das alte Lied vom gebrochenen Herzen. Nach Auskunft des Autors ist es eine Ballade von stiller Trauer, gemildert durch Humor. Im theater der keller wird der damalige Rummelplatz zeitnah in das Münchener Oktoberzeit gelegt, einem Schauplatz, an dem verzerrte Gestalten aufeinander treffen. Es ist eine Erzählung über menschliche Armseligkeit und über schräge Typen, die aber keinesfalls so abgedreht sind, als dass sie sich in dieser Welt nicht wieder finden könnten. Das Problem der Arbeitslosen in der Wirtschaftskrise der Dreißiger Jahre hat in die heutige Zeit versetzt eine bedrückende Aktualität. Die Seelen der Figuren sind hinter Alltagsprofanität und Lebenskitsch verborgen. Das Oktoberfest mit all seinen Attraktionen ist dabei nur das Symbol für den Kampf - und Tummelplatz der kapitalistischen Welt.

Es sind die Frauen, die meist arbeitslos unter den Umständen der Wirtschaftskrise zu leiden haben. Sie sind die Opfer dieser Misere und werden unter Zwängen unterdrückt oder versuchen sich im Räderwerk der Macht einzuordnen und sie werden an der Auflehnung dagegen zerbrochen. Horvàth schildert in seinem Volksstück besonders eindringlich alle Facetten kleinbürgerlicher Mentalität. Er zeigt neben der Niedertracht, Dumpfheit und Brutalität das Selbstmitleid der modernen Gesellschaft und verweist gleichzeitig auf die sozialen und ökonomischen Bedingungen, die jene Gesellschaft formt.

Der Inhalt des Stückes ist schnell erzählt. Kasimir geht mit seiner Freundin Karoline auf das Oktoberfest. Er hat gerade seine Arbeit als Chauffeur verloren. Das lebenslustige Mädchen möchte dem Alltag entfliehen und sich amüsieren.
Kasimir und Karoline lieben sich, aber sie leben sich auseinander; die soziale Notlage macht sie zu Gegnern. Kasimir ist aufsässig, wenn Karoline fröhlich sein will.
Das Heft des Handelns, mit dem Karoline dem stellenlos gewordenen Kasimir den Rücken kehrt, hat sie nicht mehr in der Hand.

Das fröhliche Oktoberfest ist Schauplatz einer traurigen Liebesgeschichte und Schauplatz von Attraktionen, die durch ein Luftschiff und Abnormitäten in der Behandlung nicht normal entwickelten Menschen symbolisch dargestellt werden.

Eindrucksvoll die realistische Vorstellung der Juanita als behaarte, affenähnliche Frau und anderer körperlich Behinderter, die als Attraktion dargestellt werden und auf die damaligen sich ankündigenden politischen Strömungen aufmerksam machen. "Die Menschen sind wie Tiere", sagt Karoline. Sie sind so elend geworden, dass sie sich Liebe und Menschlichkeit nicht mehr leisten können. Hier gibt es kein Happy - end für die Liebenden, sondern für den, der am meisten zu bieten hat.

Karoline bandelt nach einem Streit mit Kasimir mit dem Zuschneider Schürzinger an, und der überlässt das Mädchen seinem Chef, dem Kommerzienrat Rauch, der auf dem Oktoberfest mit seinem Freund ein Flittchen erobern will. Karoline ist durch die Abweisung von Kasimir verunsichert und sieht ihre große Chance. "Das Leben ist hart, und eine Frau, die wo was erreichen will, muss einen einflussreichen Mann immer an seinem Gefühlsleben packen."

Aber noch ein weites Liebespaar streift über das Oktoberfest. Es sind Kasimirs Freunde Franz und Erna. Der Mann ist ein Schläger, der seine Freundin zu einem versoffenen Jammerlappen gemacht hat. Kasimir kümmert sich um Erna, während Karoline den Kommerzienrat zu einer Fahrt ins Abenteuer begleitet.

Während der Fahrt bekommt dieser einen Herzinfarkt und Karoline rettet ihm das Leben, da sie den Wagen zum Stehen bringen kann. Der Kommerzienrat dankt ihr dieses Handeln nicht, da er nur sein Vergnügen sieht. Zwischenzeitlich sind sich Kasimir und Erna näher gekommen.
Kasimir und Karoline wollen sich versöhnen. Aber zwischen Ihnen besteht nun Misstrauen, Trotz, Verhärtung und gegenseitige Vorwürfe verhindern einen neuen Anfang. "Man hat so eine Sehnsucht in sich - aber denn kehrt man zurück mit gebrochenen Flügeln und das Leben geht weiter, als wäre man nie dabei gewesen," philosophiert Karoline.

Melanie Vollmer spielt die naive Karoline ganz natürlich und einfühlsam, während Emanuel Fleischhacker seine Handlungen und Gesten zu überbetont darstellt; dennoch bringen beide eine ausgereifte schauspielerische Darstellung. Schürzinger, in der Besetzung von Markus Kloster versteht es, sich auf die jeweilige Situation richtig einzustellen und erobert schließlich das Herz von Karoline. Maria und Elli, zwei Prostituierte, werden von Annette Müller und Anna Gehlen überzeugend dargestellt. Sie sorgen dafür, dass sich Rauch und Speer, gespielt von Herbert Wandschneider und Peter Schwab, zwei ältere Herren, die auf dem Oktoberfest ihr Vergnügen suchen, so richtig auf dem Oktoberfest amüsieren können. Als Repräsentanten der oberen Gesellschaft sind sie zynisch und durch und durch verkommen. Herr Wandschneider spielt seine Rollen in bravouröser Darstellung.

Der Merkl Franz, von Juri Padel dargestellt, zeigt mit Mara Stroot als Erna, wie aussichtslos das Leben ist, wenn man vom normalen Pfad abgekommen ist und sich nur noch dem Alkohol widmet. Bei Sabrina vor der Sielhorst, in den Rollen als Juanita, Ärztin und Kellnerin wird deutlich, mit welcher Wandelbarkeit sie als Schauspielerin auf der Bühne steht und in den verschiedenen Rollen mit sehenswerter Vitalität deutlich präsent ist. Noch wirklichkeitstreuer wäre die Darstellung als Kellnerin, wenn sie den parodierten Song live singen würde.

Der Inhalt des Stückes wird von Karoline in zwei Sätzen zusammengefasst. "Ich habe mir halt eingebildet, dass ich mir einen rosigen Blick in die Zukunft erringen könnte und einige Momente habe ich mit allerhand Gedanken gespielt. Aber ich musste so tief unter mich hinunter, damit ich höher hinaus kann."

Ödön von Horvath zeigt in seinem Stück anhand der einfachen Leute, wie das Wirtschaftssystem die Menschen formt und egoistisch macht. Die Menschen werden Produkte ihrer Umgebung und neigen dazu, zu ihrem eigenen Vorteil Abstriche von der vorher hochgehaltenen Moral zu machen. Wenn das Menschliche durch die harte Realität des Lebens verloren geht, konzentriert sich vieles nur noch auf Vergnügen, Alkohol, Egoismus und Selbstmitleid. Das Leben wird zur Trostlosigkeit.

Die beeindruckenden Leistungen aller Darsteller, die die leisen Töne in all dem oberflächlichen Trubel wunderbar beherrschen, machen das nachdenkliche Stück gehaltvoll und sehenswert.

Es zeigte sich ein spiel- und risikofreudiges Ensemble. Die Inszenierung hat Rhythmus und Charme. Monika Hess-Zanger zeigt, wie die Verhältnisse zu Flüchtig - und Oberflächlichkeit drängen und tiefere Gefühle ersticken.

Diese jungen Schauspieler haben das Rüstzeug für ihren Beruf in allen Facetten gelernt und werden auch in anderen Produktionen das Publikum begeistern. Das Premierenpublikum bedankte sich mit vielfachem Applaus für einen nachdenklichen aber eindrucksvoll inszenierten Abend.



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