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Das Märchen vom bösen Werk und den Guten

Das Wasserkraftwerk im österreichischen Kaprun ist eines der größten Speicherkraftwerke der Welt, eine - mit den Worten Elfriede Jelineks - "fast beispiellose Herausforderung der Natur an die Technik, sich über sie zu setzen, die Wasser in drei gigantischen Stauseen zu fassen und in die Turbinen zu werfen, damit das ‚Land am Strome’ (österreichische Bundeshymne) mit Strom versorgt werden kann." "Das Werk" von Jelinik in Staatstheater Stuttgart.

Der Name Kaprun repräsentiert aber nicht nur den österreichischen Wiederaufbau, seit November 2000 steht er auch für einen der schlimmsten Unfälle der österreichischen Nachkriegszeit. Beim Brand einer fahrlässig modernisierten Gletscherbahn starbenin kürzester Zeit 155 Menschen.

Das Werk , dessen gigantische Textmassen die Dämme des konventionellen Dramas sprengen, handelt von Natur und Technik, von Aufbau und Katastrophe, von Freiwilligen und Zwangsarbeitern, von Lebenden und Toten. 1938 tat Hermann Göring den symbolischen ersten Spaten-stich für das Kraftwerk, für den Bau wurden erst Zwangsarbeiter, später Kriegsgefangene herangezogen. 'Der' Arbeiter ist ein zentrales Thema des Stückes, aber Jelinek wäre nicht Jelinek, wenn sie sich nicht von einem Thema zum andern tragen ließe wie das Wasser von Stein zu Stein und von Fall zu Fall - das Wasser, nutzbare und zerstörerische Kraft und leitmotivisch assoziiert mit den Liedern Franz Schuberts.

"Vom Wasser haben wir's gelernt, vom Wasser". Mit bösem ironischen Blick und eingeschmuggelten Trivialmythen unterwandert und zerspielt die Autorin den schweren Stoff; die Arbeiter treten als Hänsel und Tretel auf, als Geißenpeters und Heidis, als Bäume, Schneeflöckchen und Weißröckchen. Die Opfer des Baus: "Eigentlich ein unerhört großes Thema, dem man nur zu Leibe, buchstäblich, rücken kann, indem man es auf eine Kindergeschichte, z.B. Heidi, verkleinert, denn in den wirklichen Dimensionen lässt es sich ja gar nicht fassen."

Susana Fernandes Genebra, Anja Brünglinghaus. Foto: Cecilia Gläsker

Susana Fernandes Genebra, Anja Brünglinghaus. Foto: Cecilia Gläsker

Für Das Werk, 2003 am Burgtheater Wien uraufgeführt, erhielt Elfriede Jelinek den Mülheimer Dramatikerpreis. 2004 wurde ihr der Nobelpreis für Literatur verliehen.

Der holländische Regisseur Jan Ritsema, dessen Produktion Pipelines. A construction (in Zusammenarbeit mit Bojana Cveji) im Rahmen des Festivals "Zwischen den Kriegen" 2004 dem Stuttgarter Publikum gezeigt wurde, hat eine Vorliebe für sperrige, komplexe, intellektuelle Stoffe. Sein Theater geht leichtfüßig der Spur des Denkens selber nach, das er in seiner Offenheit, Ungewiss-heit und Unabschließbarkeit als ewig prozesshaftes vorführt. Nicht die Illusionsmaschine Theater interessiert ihn, sondern die leibhaftige Präsentation differenzierter Zusammenhänge und Ideen. Hier trifft er sich mit Jelineks Textproduktion, in der ein Sinn gleitend den nächsten generiert, anspielt und zurücknimmt.

v.l.n.r.: Anja Brünglinghaus, Lisa Wildmann, Katharina Ortmayr. Foto: Cecilia Gläsker

v.l.n.r.: Anja Brünglinghaus, Lisa Wildmann, Katharina Ortmayr. Foto: Cecilia Gläsker

Regie und Bühne: Jan Ritsema
Kostüme: Sabine Kohlstedt,
Dramaturgie: Kekke Schmidt
Mit: Anja Brünglinghaus, Susana Fernandes Genebra, Britta Firmer, Katharina Ortmayr, Lisa Wildmann

Ab:
02.12.2005 um 20:00

Aufführungsort:
Staatstheater Stuttgart, Depot, Stuttgart, Deutschland

Veranstaltungsart:
Theater

Weitere Termine:

v.l.n.r.: Britta Firmer, Susana Ferndandes Genebra, Katharina Ortmayr, Lisa Wildmann, Anja Brünglinghaus. Foto: Cecilia Gläsker

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