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Das Vergnügen am entsetzlich Unentsetzlichen

Gedanken zum Tod unseres Freundes und Förderers

Wolfgang Bauer (1941 – 2005)

So ein Vorfall gibt immerhin zu denken. (Pause)
Den Toten kenne ich nicht ... Es ist keiner aus
unserer Stadt. Vielleicht ein Amerikaner, wenn
sein Pass echt ist.
Wolfgang Bauer, „Pfnacht“, I. Akt

Ja, doch, sein Dichterschritt wird nicht in uns verhallen. Dazu war er zu zielstrebig.

Und sein Witz wird bleiben wie auch sein Schlag, der letztlich nur Teil seiner Fertigkeit im Verbalraum war. Und im Raum des Lebens.

Wolfi, wie ihn vor allem die stets gern nannten, die ihn nicht gern mochten, Wolfgang also ist abgegangen von dieser Bühne. Nicht so spektakulär zwar wie viele seiner Figuren, die sich erhängen, erwürgt werden, infarktieren, erdolchen oder sonst Shakespeare-like heimdrehen. Er ging. Doch immerhin mit der Grandezza, die man erwarten hatte dürfen, nämlich: leise.

Mit seinen frühen „Dramoletten“ bewies er Sinn fürs Absurde, sein „Magic Afternoon“, diese furiose Skizze der Fadesse unter jungen Menschen, aus dem kuriosen Jahr 1968 machte ihn  im Handumdrehen zum Dramatikerstar, auf den besonders seine Gegner stolz sein konnten: Glaubten doch gerade sie, er wäre auch in persona wie seine malträtierten und seelisch kaputten Bühnentypen.

Dass ihm, dem damals schwarzbärtigen Enfant terrible der „Forum Stadtpark“-geschwängerten Szene eines aufbruchbereiten jungen Graz, das Land Steiermark den grünen Mantel des Peter-Rosegger-Preisträgers umwand, brachte die Neidgenossenschaft, klar doch, zum Schäumen. Mit „Change“, dem „Massaker im Hotel Sacher“ bis hin zu „Memory Hotel“ oder „Pfnacht“ wusste er, die Launen des Glücks - und die Gegebenheiten der Stunde – weidlich zu nützen. Kurz: Wolfgang Bauer, everybodys Schulterklopf-Lustobjekt in der aufkeimenden Bussi-Bussi-Gesellschaft, war nicht erst in der tief-lustigen Ibsen-Paraphrase „Gespenster“ (1973) seiner aus abgebrühten Anhängern und ebenso abgefeimten Gegnern bestehenden Umgebungsschar ein geschickter Cicerone zu den jeweils unvermuteten Zielen einer - im Übrigen tatsächlich ein Leben lang anhaltenden – Fehlleitung und An-statt-ansicht zu völlig unerwarteten Aussichten hin.

Er hatte nie besondere Berührungsängste gegenüber dem Banalen. Sein Film „In Zeiten wie diesen“ beispielsweise bediente, ausgehend vom Wortwitz des Namens, den der Titelrollenträger, der wenig talentierte Maler Oskar Koschka, trägt, in erster Linie die Ablehnungslust der Plebs dem „Neumodischen“ gegenüber. Und gebar seinen Hintersinn aus eben dieser Verkennung der kunstimmanenten Tatsachen. Sein (leider) einziger Roman, „Fieberkopf“, reiht ihn - meines Erachtens - ein unter die ganz Großen dieses Genres, deren Methode eben die des Genre-Zerstörenden ist; in die Reihe derer somit, die das Formale scheinbar spielerisch zu durchbrechen vermögen, indem sie bittere Wahrheiten – Existenz, Verdoppelung, Zeitsprung, Telephonieren etc. – als süße Versuchungen verkaufen. Als Zuckerln, deren Genuss die Strafe auf dem Klumpfuß folgt.

Ob in „Magnetküsse“, „Memory Hotel“, „Das Lächeln des Brian de Palma“, „Kantine“, „Menschenfabrik“ oder „Foyer“ – den Film, das Theater und/oder die Geschichtsauffassung als verflixten Zeit-Terminator und Bewusstseinsebenensprenger zu gebrauchen, verstand Bauer wie kaum ein anderer. Und wie in „Change“ etwa (oder auch in den „Gespenstern“) das Manipulative schnöd daherkommt im kleinkarierten Hausrock des Unbildungsbürgers, schockieren stets die mögliche Nebenanhaftigkeit seiner Personage - und ihre vordergründig scheinenden Verbalrülpser: Der Nachbar wird zum Nachtmar.

Wolfgang Bauer, stets munterer Erwecker so vieler Bilder, die kleine wie die sogenannte große Form beherrschender Allrounder der Dichtkunst, dazu begnadeter Grafiker voller Witz, er entschwebt dieser irdischen Bühne. Lässt uns nachdenken über seine wuchtigen Zitate und Eierspeisreindl-werfenden Extempores; seine filigrane Lyrik, sein Witz, der selbst als Schmäh neben Charme auch stets Geist hatte, wird weiter wirken. Er lässt nun die Calmus-getränkte „Haring“-Nostalgie und die bierlaunigen „Lückeliaden“ ohne Zahl für immer hinter sich, damit wir bei „Insalata mista“ im „Café Tamagotschi“, freilich auch jetzt bei Marlboro, Bier und Schnaps, noch einmal über die Urfrage nachgrübeln dürfen, die auch Wolfgangs Leben stets überschattete: Woher kommen wir, wohin gehen wir, wer sind wir.

Wolfgang, vielleicht weißt wenigstens Du es jetzt.

Wolfgang Bauer

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