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Gedanken zum Stück „Nächtliche Poesie“

Im Untertitel nennt der Autor sein zweiaktiges Stück „Eine Geburtstagsfeier im Milieu“. Und dieses Milieu ist ein Ort, an dem man sich Poesie zunächst nicht unbedingt und quasi genuin vorstellen kann: ein Animierlokal. Und doch, die Hure Mijou sagt es einmal: „Aber saufen tun sie alle, die Dichter ...“ Folglich ist der Ort in Wahrheit genauso gut (oder genauso schlecht) für Poesie geeignet wie jeder andere auch.

Der Poet zelebriert in entsprechend skurriler Runde seinen 50. Geburtstag. Zwar bringt ein Terrorist die grotesk-schrille Szene kurzfristig in Schräglage, doch er und auch der später hereinstürmende Zuhälter können die Poesie nicht wirklich von hier vertreiben.

Der Stammkunde, der durch das Rezitieren gleich schlechter wie zotiger Schüttelreime aus dem Internet mit dem Dichter – scheinbar – in Konkurrenz treten möchte, hat letztlich angesichts der poetischen Ur-Kraft genauso wenig Chancen wie am Schluss der erhebende Kriminalpolizist, der im Notizbuch des Poeten Goethes Gedicht „Ein Gleiches“ („Über allen Gipfeln ist Ruh“) notiert findet und den Urheber nicht erkennt.

Dem Dichter, der eigentlich seinen vom Zuhälter entwendeten Gedichten auf der Spur ist, geht es in seiner (im Doppelsinn) geistigen „Himmel-Höllen-Fahrt“ um Sinn und Unsinn eben dieser Reise, um den „Sinn dieser meiner Reise durch den Kosmos! Und den Unsinn! Ganz einfach! ...“ Und er versucht, obwohl er weiß, dass es am Ende nutzlos ist, die Menschen durch die Kunst zu verändern: „Viel wird ja nicht erreicht mit unserer Kunst. Man ändert die Menschen nicht. Nur sich selbst. Ja, wenn das genügen soll?“

Doch es geht ihm und seiner Kunst, der Poesie, auch um Leben und Tod: „Aber das Leben ist nicht ohne sein Gegenteil denkbar, meine Lieben, und das Gegenteil von Leben ist nun mal der Tod. Er ist die notwendige Ergänzung zum Leben.“ Freilich macht der Poet die anderen auch auf den „größten Irrtum unserer Zeit“ aufmerksam: „Nämlich zu glauben, dass wir nur ein einziges Leben hätten, um dann zu verschwinden im Himmel oder in der Hölle ... oder nirgends. Aber das ist nicht der Fall. Wir verschwinden nicht. Wir kommen nämlich wieder, das sind Tatsachen und x-fach beweisbar. Wir werden wieder geboren, und zwar mit den Ergebnissen aller unserer Leben aus der Vergangenheit.“

Wenn sich der Poet zuletzt wegbegibt – an den „Südpol“ -, ist auch das nur eine Stufe in der (poetischen) Entwicklung und kein endgültiger Abgang.

So wird die „Nächtliche Poesie“ zum Gleichnis einer Entwicklung, die nur scheinbar eine zufällige ist. Und als ein wichtiger der Katalysatoren dieser Entwicklung stellt sich die Kunst heraus. Von der nicht zu unrecht gesagt wird, sie währe – im Unterschied zum Leben – lange.



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